Leistungsbeurteilung und Imagepolitur.
Nachdem ich seit zwei Tagen sozusagen vagabundierend dahinoxidiere, ist es heute an der Zeit den Kopf etwas zu entleeren. Die Kinder sind mit den Großeltern im Urlaub und ich bin nicht lebensfähig mit mir allein. Ich schaffe es morgens nicht, pünktlich das Haus zu verlassen, habe vergessen Lebensmittel einzukaufen und ich bin dauerhaft müde und angepisst. Diesen Zustand bekommen natürlich auch die Menschen in meinem Umfeld zu spüren. Ich bin angepisst aufgrund vieler Dinge, die ich als gegeben hinnehmen muss, aber nicht will.
Leistungsbeurteilung ist so ein Erlebnis aus der vergangenen Woche, dass in meinem beruflichen Kontext in etwa so überflüssig ist wie Wurst im eigenen Darm. Jeder Mensch der sich in diesem Arbeitsfeld bewegt sollte nicht nach einem Punktesystem bewertet werden, um durch einen finanziellen Bonus Wertschätzung zu erfahren. Ich gebe zu, dass ich nicht gut mit dem Lob durch Vorgesetzte umgehen kann. Da geht es in erster Linie natürlich um Hierarchien die ich nicht leiden kann und um das Prinzip der Arbeit die ich täglich tue. Diese Arbeit hat nichts mit Leistung zu tun. Ich arbeite in keinem wirtschaftlichen Zweig, in welchem es durchaus nachvollziehbar erscheint, durch finanziellen Anreiz die Motivation zu steigern. Ich arbeite mit Kindern, Jugendlichen*. Mit heranwachsenden Menschen. Ich halte es für grundlegend falsch, diese Arbeit über ein System aus Punkten zu reflektieren. Das hat nichts damit zu tun, dass der Job den ich da tue, nicht adäquat entlohnt werden muss. Man denke hierbei nur einen Moment an alle diejenigen im sozialen Arbeitsfeld, die nicht durch einen öffentlichen Träger finanziert werden, deren Arbeit wichtig ist und sinnvoll, die ihren Job tagtäglich mit Liebe tun und sich den Arsch aufreißen, für ein lachhaftes Gehalt. Ich bin nicht Mutter Theresa und meine Kinder haben sich durchaus daran gewöhnt ein Dach über dem Kopf zu haben. Ich lasse mich einfach nicht gern in ein durch Prozentzahlen gekennzeichnetes Kästchen stecken. Ich mag diese Art der Reflektion nicht. Es wäre doch um einiges wertschätzender, diese wichtige Arbeit durch tatsächliche Reflektion und quasi gemeinsamer Erarbeitung von Zielen für das kommende Jahr, zu durchdenken. Darüber zu sprechen was wirklich wichtig ist. Sich für und mit dem Menschen der diese Arbeit tut, einen Moment zu setzen und über die Quintessenz zu sprechen. Ich bin ein Kästchen mit der Überschrift "120%". Leistungsbeurteilung heißt also demnach, du hast dir 120% Mühe gegeben. Extra viel. Bullshit! Ich habe meinen Job gemacht. Das getan was nötig war und ist. Ich kann das nicht als Lob oder Anerkennung annehmen. Es fühlt sich auch nicht so an. Es fühlt sich nach Verwaltung und einem seelenlosen Stück Papier an, welches gestanzt und in einer Akte abgeheftet wird.
Dann gibt es da noch einen Punkt, der an Komplexität und Irrsinn unübertroffen ist. Seit nunmehr einem Jahr bin ich hochoffiziell eine alleinerziehende Mutter. Nein, ich bin sogar noch mehr. Ich bin eine alleinerziehende Single - Mutter die nicht verlassen wurde, sondern eine Entscheidung traf. Das ist gesellschaftlich ja schon fast verwerflich. Eine Frau mit zwei Kindern trennt sich! Oh Gott!!! Eine Frau trennt sich, und Achtung, jetzt kommt der Knaller: sie trennte sich nicht etwa, weil sie sich einen anderen Mann geangelt hatte, sondern weil sie nicht glücklich war. Boah! Krass! Das kann man ja kaum glauben!
Warum es wichtig erscheint dies so explizit auszudrücken, erklärt das Image. Das Image, welches dir auferlegt wird. Nach einer Trennung kochen im weitläufigen Bekanntenkreis die Gerüchte. Das ist schon immer so und daran wird sich auch mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals etwas ändern. Trennungen sind nun mal einfach gute Geschichten in geselligen Runden. Die Menschen lieben Geschichten über andere Menschen, vor allem wenn man sich auch noch kennt, oder behauptet sich zu kennen. Gossip verbindet die Menschen, stillt ihren unersättlichen Durst nach dem Leben der anderen Menschen. Diese Geschichten verbreiten sich und meistens ist es auch so, dass von den Zuhörenden nicht bei den Betreffenden nachgehakt wird. Sie saugen diese Informationen auf und ergötzen sich daran. Die Menschen reden. Sie reden, aber die wenigsten hinterfragen. Ein Problem, welches sich durch sämtliche Dekaden frisst. Nun ist es manchmal dennoch so, dass sich irgendwann die Möglichkeit bietet, mit dem einen oder anderen Gossip aufzuräumen. So meint man zumindest. Diese Imagepolitur macht es nicht leichter für die Betroffenen, im Gegenteil, sie macht es eigentlich nur noch schlimmer. Denn letztendlich begibt man sich mit dieser Art der Rechtfertigung in dieses Schlangenloch. Im Nachhinein stellt man sich dann die Frage, ob man nicht einfach besser den Mund gehalten hätte. Doch ist es tatsächlich die für den Seelenfrieden leichtere Entscheidung, nicht seine eigene Wahrnehmung der Geschehnisse, mitzuteilen? Ich weiß es bis heute nicht.
J.